Dienstags kurz nach 9 Uhr betrete ich das Gemeindehaus an der Hardenbergstraße – und habe sofort eine Wartenummer in der Hand. Erstaunter Blick meinerseits, Heiterkeit um mich herum und man nimmt mir das Zettelchen wieder aus der Hand. Vikarin Kara Bredal und Gisela Mauerer am „Anmeldetisch“ direkt hinter der Einganstür haben mich erkannt; ich bin sicherlich nicht in die Caritas-Diakonie-Sprechstunde gekommen, um Hilfe zu erbitten.
Etliche Menschen, Mütter mit Kindern, Männer und Frauen unterschiedlichen Alters sind bereits da, sitzen an Tischen und frühstücken. Das Buffet lässt Süß und Herzhaft, auch mit Obst, Tomaten, Gurken, Feigen und Datteln keine Wünsche offen. Roswitha Sulemann hat es mit weiteren ehrenamtlich Mitarbeitenden zubereitet. „Ich war schon um 7:30 bei Rewe. Als ich erzählt habe, wofür ich die Lebensmittel brauche und ein bisschen feilschen wollte, da kam der Filialleiter und ich durfte für 100 € einkaufen – Spende des Hauses. Die Leute müssen hier für ein Frühstück nur 50 Cent bezahlen, für ihre Kinder 30 Cent. Es macht mir viel Freude hier zu arbeiten!“
Das Frühstücksteam
Alle Wartenden haben am Eingang ihren Namen gesagt, man weiß, wo sie wohnen, wie viele Personen zum Haushalt gehören, wie alt die Kinder sind; sie haben ihre Bedürftigkeit nachgewiesen. Kara Bredal ruft eine Nummer auf, sie geht im lebhaften Stimmengewirr unter, lachend hält sie ein Schild hoch. Eine junge Frau steht auf und geht in einen separaten Raum. Pfarrerin Cornelia Oßwald und Ingrid Schmitz begrüßen sie freundlich. Sie stammt aus dem Iran und spricht noch wenig Deutsch, freut sich offensichtlich sehr über ein Kärtchen mit Einkaufsberechtigung für den Kleiderladen und Lebensmittelgutscheine – einmal monatlich. Spenden von Gemeindegliedern der beiden christlichen Ortsgemeinden machen dies möglich.
Ein Mann mittleren Alters, Deutscher, klagt über Beschwerden im Bein, muss vielleicht operiert werden und nimmt auch ein Kleiderladenkärtchen in Empfang, dazu kann er einen Mahlzeit-Gutschein wählen für die Sana-Klinik oder die Pizzeria Uscana oder auch das Café Frau Heye; sie werden vom „Netz gegen Armut“ für Menschen ab 55 Jahren zur Verfügung gestellt. „Viele Menschen möchten auch einfach, dass man ihnen im geschützten Raum ein wenig zuhört“ sagt Cornelia Oßwald. Auch die folgende Besucherin, eine ältere Dame, nimmt erfreut Lebensmittel- und Restaurantgutscheine mit.
Es folgt ein junger Mann aus Eritrea, seit einem Jahr ist er hier, spricht bereits gut Deutsch. Er strahlt vor Freude. Seine Anerkennung als Asylbewerber war erfolgreich. Er darf nun aus dem Heim auf der Heyestraße ausziehen und sucht eine Wohnung. Man rät ihm mit der Unterkunftsbetreuung Kontakt aufzunehmen.
Im anderen Raum sitzen Heidi Evers und Amanda Speckenbach gerade mit einem Elternpaar und kleiner Tochter. Auch sie erhalten Gutscheine. Die Kleine freut sich sehr über eine Puppe, die zwischen lauter Kuscheltieren auf dem Tisch lag. „Eben war eine Mutter mit Kind hier, die haben vor Begeisterung über eine kleine Babypuppe spontan getanzt, war das eine Freude!“
Draußen sieht man eine Gruppe junger Männer lebhaft redend ankommen. „Oh, die kommen bestimmt von der Karlsbader Straße, wir müssen sie weiterschicken zum Stiftssaal bei St. Margareta.“ Seit Anfang Dezember 2015 gibt es dort wegen der gestiegenen Nachfrage eine parallele Sprechstunde. Die Gemeinden haben die Zuständigkeit untereinander geographisch aufgeteilt. Die Jungs scheinen nicht verstimmt zu sein und ziehen zuversichtlich weiter.
Ich betrete nun den Kleiderladen im Café. Lebhafter Betrieb zwischen Rollständern mit Jacken, Mänteln, Hosen. Regale mit Schuhen, kleine Kindergummistiefel. Erika Rabe zeigt mir stolz das Lager im Keller: Deckenhohe Regale mit Shirts, Pullovern, Wäsche, alles nach Größen sortiert und ordentlich gefaltet. „Mit 10 Frauen leeren wir hier die gespendeten Säcke. Ohne gute Vorbereitung wäre keine vernünftige Auswahl und kein geordneter Verkauf möglich.“
Oben verlassen zufriedene Menschen mit Taschen, Koffern und Tüten das Café. Hier werden keine Almosen verschenkt, sondern die Menschen sind Kunden, die auswählen und für sehr niedrige Preise kaufen. Nächsten Dienstag werden wieder viele Menschen aus dem Stadtteil zur Hardenbergstraße kommen, Flüchtlinge und Alteingesessene. Armut und Bedürftigkeit kennen keine Herkunft.
Barbara Schulz
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